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Joseph von Eichendorff

kennt man, so denkt man: Rauschende Wälder als Kulisse fürs Wandern und romantische Gefühle, alles mustergültig in einige berühmte Gedichte gegossen, deren Bandbreite an Motiven und Begriffen recht begrenzt ist. Sie wurden zum Inbegriff des romantischen Liedes, in Verbindung mit Musik volkstümlich vertraut. Und wer könnte auch dem Klang und der Stimmung seines vielleicht bekanntesten Gedichtes "Mondnacht" widerstehen, oder Versen wie Weihnachten (WeihnachtsgedichteWeihnachtsgedichte) und "O Täler weit, o Höhen..." (AbschiedsgedichteAbschiedsgedichte), der "Schönen Fremde" und dem Kurzgedicht "Der Abend":

Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

(entstanden um 1830, Erstdruck 1837)

Schöne Fremde

Es rauschen die Wipfel und schauern,
Als machten zu dieser Stund
Um die halbversunkenen Mauern
Die alten Götter die Rund.

Hier hinter den Myrtenbäumen
In heimlich dämmernder Pracht,
Was sprichst du wirr wie in Träumen
Zu mir, phantastische Nacht?

Es funkeln auf mich alle Sterne
Mit glühendem Liebesblick,
Es redet trunken die Ferne
Wie von künftigem, großem Glück!

(entstanden um 1830/31, Erstdruck 1834)

Der Abend

Schweigt der Menschen laute Lust:
Rauscht die Erde wie in Träumen
Wunderbar mit allen Bäumen,
Was dem Herzen kaum bewußt,
Alte Zeiten, linde Trauer,
Und es schweifen leise Schauer
Wetterleuchtend durch die Brust.

(entstanden 1817, Erstdruck 1823)

Den letzteren Text hat Eichendorff in sein neben der Lyrik populärstes Werk, die Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" (erschienen 1826), aufgenommen. Thomas Mann schrieb, der "Taugenichts"

... ist nichts weniger als wohlerzogen, er entbehrt jedes soliden Willens und jeder intellektuellen Zucht; er ist nichts als Traum, Musik, Gehenlassen, ziehender Posthornklang, Fernweh, Heimweh, Leuchtkugelfall auf nächtlichen Park, törichte Seligkeit, so dass einem die Ohren klingen und der Kopf summt vor poetischer Verzauberung und Verwirrung.

Es zeigt sich, dass Eichendorff hier wie in Gedichten in der Art der zitierten ein Refugium schafft, wodurch er seiner Epoche der beginnenden Industrialisierung etwas Kompensierendes entgegensetzt.
Volkstümlich ist ein nur in Ausschnitten wahrgenommener Eichendorff, seine unangepassten, antibürgerlichen Aspekte wurden zu einer 'ewig-sonntäglichen' Träumerei verharmlost. Die folgenden drei Gedichte belegen seine Abscheu vor spießbürgerlich-geldgeiler Mentalität und dem ihm als Beamter wohlbekannten Bürokratismus. "Der neue Rattenfänger" hat sogar, entkleidet man ihn der obsoleten Kulisse und Begrifflichkeit, eine frappierende Aktualität.

Der Wegelagerer

Es ist ein Land, wo die Philister thronen,
Die Krämer fahren und das Grün verstauben,
Die Liebe selber altklug feilscht mit Hauben -
Herr Gott, wie lang willst du die Brut verschonen!

Es ist ein Wald, der rauscht mit grünen Kronen,
Wo frei die Adler horsten, und die Tauben
Unschuldig girren in den kühlen Lauben,
Die noch kein Fuß betrat - dort will ich wohnen!

Dort will ich nächtlich auf die Krämer lauern
Und kühn zerhaun der armen Schönheit Bande,
Die sie als niedre Magd zu Markte führen.

Hoch soll sie stehn auf grünen Felsenmauern,
Dass mahnend über alle stillen Lande
Die Lüfte nachts ihr Zauberlied verführen.

(entstanden 1839, Erstdruck 1841)

Der Isegrim

Aktenstöße nachts verschlingen,
Schwatzen nach der Welt Gebrauch,
Und das große Tretrad schwingen
Wie ein Ochs, das kann ich auch.

Aber glauben, dass der Plunder
Eben nicht der Plunder wär,
Sondern ein hochwichtig Wunder,
Das gelang mir nimmermehr.

Aber andre überwitzen,
Dass ich mit dem Federkiel
Könnt den morschen Weltbau stützen,
Schien mir immer Narrenspiel.

Und so, weil ich in dem Drehen
Da steh oft wie ein Pasquill,
Lässt die Welt mich eben stehen -
Mag sie's halten, wie sie will!

(entstanden 1820/21, Erstdruck 1837)

Der neue Rattenfänger

Juchheisa! und ich führ den Zug
Hopp über Feld und Graben.
Des alten Plunders ist genug,
Wir wollen neuen haben.

Was! wir gering? Ihr vornehm, reich?
Planierend schwirrt die Schere,
Seid Lumps wie wir, so sind wir gleich,
Hübsch breit wird die Misere!

Das alte Lied, das spiel ich neu,
Da tanzen alle Leute,
Das ist die Vaterländerei,
O Herr, mach uns gescheute! -

(entstanden um 1822/23, Erstdruck 1824)

Wie also Lyrik und Literatur für Eichendorff nicht stets zum Refugium dienen, so sitzt er auch nie den Gefahren von Klischee und Kitsch auf, die solcher Tendenz innewohnen. Dafür steht schon das stets deutliche, aber nie vordringliche persönliche und unverwechselbare Moment, wie es sich in "Wehmut" besonders stark finden lässt.
Weiterhin ist diese Dichtung nicht sentimental, obgleich das Schicksal des von Fern- wie Heimweh geprägten preußischen Beamten, der aus dem (eher bescheidenen) Schloss und den oberschlesischen Wälder der Kindheit vertrieben wurde, dazu genügend Stoff geliefert hätte. Dies zeigt sich emotional in "Die Heimat", gedanklich aber in "Der Adel und die Revolution", das die eigene Befindlichkeit in historischem Rahmen durch ein aufschlussreiches Bild analysiert. Dieses Gedicht beschließt eine gleichnamige autobiographische Schrift aus dem Todesjahr 1857, die so beginnt:

Sehr alte Leute wissen sich wohl noch einigermaßen der sogenannten guten alten Zeit zu erinnern. Sie war aber eigentlich weder gut noch alt, sondern nur noch eine Karikatur des alten Guten.

Wehmut

Ich kann wohl manchmal singen,
Als ob ich fröhlich sei,
Doch heimlich Tränen dringen,
Da wird das Herz mir frei.

So lassen Nachtigallen,
Spielt draußen Frühlingsluft,
Der Sehnsucht Lied erschallen
Aus ihres Käfigs Gruft.

Da lauschen alle Herzen,
Und alles ist erfreut,
Doch keiner fühlt die Schmerzen,
Im Lied das tiefe Leid.

(1. Teil; entstanden 1807/12, Erstdruck 1815)

Die Heimat

An meinen Bruder

Denkst du des Schlosses noch auf stiller Höh?
Das Horn lockt nächtlich dort, als ob's dich riefe,
Am Abgrund grast das Reh,
Es rauscht der Wald verwirrend aus der Tiefe -
O stille, wecke nicht, es war als schliefe
Da drunten ein unnennbar Weh.

Kennst du den Garten? - Wenn sich der Lenz erneut,
Geht dort ein Mädchen auf den kühlen Gängen
Still durch die Einsamkeit,
Und weckt den leisen Strom von Zauberklängen,
Als ob die Blumen und die Bäume sängen
Rings von der alten schönen Zeit.

Ihr Wipfel und ihr Bronnen rauscht nur zu!
Wohin du auch in wilder Lust magst dringen,
Du findest nirgends Ruh,
Erreichen wird dich das geheime Singen, -
Ach, dieses Bannes zauberischen Ringen
Entflieh'n wir nimmer, ich und du!

(entstanden um 1830, Erstdruck 1841)

Der Adel und die Revolution

Prinz Rokoko, hast dir Gassen
Abgezirkelt fein von Bäumen,
Und die Bäume scheren lassen,
Daß sie nicht vom Wald mehr träumen.

Wo sonst nur gemein Gefieder
Ließ sein bäurisch Lied erschallen,
Muß ein Papagei jetzt bieder:
Vivat Prinz Rokoko! lallen.

Quellen, die sich unterfingen,
Durch die Waldesnacht zu tosen,
Läßt du als Fontänen springen
Und mit goldnen Bällen kosen.

Und bei ihrem sanften Rauschen
Geht Damöt bebändert flöten,
Und in Rosenhecken lauschen
Daphnen fromm entzückt Damöten.

Prinz Rokoko, Prinz Rokoko,
Laß dir raten, sei nicht dumm!
In den Bäumen, wie in Träumen,
Gehen Frühlingsstimmen um.

Springbrunn in dem Marmorbecken
Singt ein wunderbares Lied,
Deine Taxusbäume recken
Sehnend sich aus Reih und Glied.

Daphne will nicht weiter schweifen
Und Damöt erschrocken schmält,
Können beide nicht begreifen,
Was sich da der Wind erzählt.

Laß' die Wälder ungeschoren,
Anders rauscht's, als du gedacht,
Sie sind mit dem Lenz verschworen,
Und der Lenz kommt über Nacht.

(Erstdruck 1866 aus dem Nachlass)

Abrunden sollen die Auswahl drei weniger bekannte Gedichte in der bekanntesten Manier Eichendorffs. Das erste belegt, in Ergänzung zum Inbegriff des Dichtens seiner Epoche in Wünschelrute (in Gedichte der RomantikGedichte der Romantik), seinen Glauben an Poesie und Gesang, während "Der Winzer" und "Im Abendrot" Beispiele für seinen Umgang mit den großen Themen Liebe und Vergänglichkeit darstellen.

Aus schweren Träumen

Fuhr ich oft auf und sah durch Tannenwipfel
Den Mond ziehn übern stillen Grund und sang
Vor Bangigkeit und schlummert wieder ein. –

Ja, Menschenstimme, hell aus frommer Brust!
Du bist doch die gewaltigste, und triffst
Den rechten Grundton, der verworren anklingt
In all den tausend Stimmen der Natur! –

(Erstdruck 1828)

Der Winzer

Es hat die Nacht geregnet,
Es zog noch grau ins Tal,
Und ruhten still gesegnet
Die Felder überall;
Von Lüften kaum gefächelt,
Durchs ungewisse Blau
Die Sonne verschlafen lächelt'
Wie eine wunderschöne Frau.

Nun sah ich auch sich heben
Aus Nebeln unser Haus,
Du dehntest zwischen den Reben
Dich von der Schwelle hinaus,
Da funkelt' auf einmal vor Wonne
Der Strom und Wald und Au -
Du bist mein Morgen, meine Sonne,
Meine liebe, verschlafene Frau!

(Erstdruck 1837)

Im Abendrot

Wir sind durch Not und Freude
Gegangen Hand in Hand,
Vom Wandern ruhn wir beide
Nun überm stillen Land.

Rings sich die Täler neigen,
Es dunkelt schon die Luft,
Zwei Lerchen nur noch steigen
Nachträumend in den Duft.

Tritt her, und laß sie schwirren,
Bald ist es Schlafenszeit,
Dass wir uns nicht verirren
In dieser Einsamkeit.

O weiter, stiller Friede!
So tief im Abendrot
Wie sind wir wandermüde –
Ist das etwa der Tod?

(Erstdruck 1837)

 

Webtipps Eichendorff Eichendorff im Internet

Eichendorff bei Xlibris ist als Einstieg in Leben und Werk empfehlenswert.
An Organisationen, die sich um den Dichter kümmern, sind die Eichendorff-Gesellschaft: und das Eichendorff-Zentrum in Lubowitz, wo der Dichter aufwuchs, im Web vertreten.
Eichendorff Lied Texts versammelt die Gedichttitel und die Komponisten, die sie jeweils in Musik gesetzt haben.

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