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Gedichtinterpretation

 

Eine Warnung vorweg: Wir erledigen hier weder Haus- noch Denkaufgaben. Solche Unbilden fallen leider den Meisten bei Gedichtinterpretation ein, sei es im Präsens oder im Präteritum. Vorgefertigte Muster oder kopierbare Analysen sind ebenso vielgesucht wie kaum zu finden. Dabei gibt es Arten des Interpretierens, also Auslegens und Verwendens von Texten, die viel originärer und erquicklicher sind.

Alle meine Entchen schwimmen auf dem See,
Köpchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh'.

Ob Sie dies laut oder leise gelesen haben, Sie hatten es mit Melodie im Kopf oder auf den Lippen. Verse und lyrische Texte mit Musik zu begleiten oder zu singen, sie zu rezitieren, mit Tanz und szenischer Darstellung zu kombinieren, sie sich ganz oder teilweise als Zitat anzueignen, dem eigenen Idiom anzupassen oder in die eigene Sprache zu übersetzen: Das sind wohl die ältesten und gängigsten Weisen, Gedichte zu interpretieren.

Außerdem zählen zu den Interpreten in diesem weiten Sinn auch die Kunstrichter und Rezensenten. Über deren Zunft sprechen die Dichter, um die all diese Exerzitien kreisen, aus nachvollziehbaren Gründen selten freundlich; falsch gedeutet können sie sich außer im Verriss sogar von falschseitigem Applaus fühlen. Johann Wolfgang GoetheGoethes Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent wurde ein geflügeltes Wort; doch selbst der sonst auf Melancholie abonnierte Lenau klimpert ein paar spöttische Verse mit derbem Schlussakkord, wenn es um solche Herrschaften geht:

Guter Rat

Willst du richten
Unser Dichten,
Obs geflattert
Und geschnattert,
Obs geschwungen
Und gesungen,
Birg doch klüglich
Unverzüglich
Deinen Ungeschmack,
Und verscharre
Das Geschnarre:
Deinen Dudelsack.

(Nikolaus Lenau, 1802-1850)

Sinn macht es, hier auf die Möglichkeiten und Angebote des Internets hinzuweisen, um einem Gedicht zu einer Deutung zu verhelfen.

Enthält ein Gedicht spezielle Vokabeln, Ausdrücke, Orte oder Personen, die dem Interpreten unbekannt sind, bleibt ihm der Griff oder Klick zu Lexika und Wörterbüchern nicht erspart. Ob ihm Bücher oder der www-Bildschirm dazu geeigneter sind, muss jeder selber herausfinden.
Um interpretieren zu können, braucht man aber nicht nur ein Wort-für-Wort-Verständnis, sondern einen zuverlässigen Text als Basis. Das Internet bietet häufig Versionen an, die dem nicht entsprechen, daher ist und bleibt das Buch als Quelle die Regel. Zur Orientierung und zum Einstieg ist das Web jedoch ein sehr lohnendes und ergiebiges Feld für Gedichte, die sich in Riesenauswahl für jeden Anspruch aufstöbern lassen. Für die zur Interpretation meist prädestinierten Klassiker gibt es zwei Sammlungen von Bibliothekenausmaß, die recht zuverlässig sind: Projekt Gutenberg und Zeno. Trotz des Namens auch international ist die Anthologie Deutsche Liebeslyrik, eine wohlsortierte Auswahl von Gelegenheitsgedichten aller Art bietet Gedichte für alle Fälle.

Neben den Texten und ihrer Durchleuchtung schadet es selten, sich Einblicke über die Autoren und deren jeweilige Epoche zu verschaffen. Im Internet helfen da die gängigen Enzyklopädien weiter, zu manchem Dichter gibt es umfassende und instruktive Spezialseiten. Um solche oder Weiterführendes überhaupt zu finden, hilft ebenfalls die Linkliste zu deutschsprachigen Autoren der FU Berlin, die kompetent und aktuell gehalten ist. Speziallexika und Fachwörterbücher sind hingegen eine Domäne des gedruckten Buches. Einen übersichtlichen, klar strukturierten Einstieg in die wichtigsten Epochen der deutschen Literatur hat Wolfgang Pohl besorgt. Ähnlich angelegt, aber ausführlicher ist die Übersicht bei Literaturwelt. Xlibris beschäftigt sich sowohl mit Epochen als auch herausragenden Einzelautoren.

Letztlich ist alles eine Frage der Perspektive; wie jeder die Poesie nützt und ob sie ihn erfreut ist eine Frage, wie man sich dazu stellt und sich darauf einlässt. Wenn die Dichter mit Lerchen verglichen werden, weil diese gleichzeitig singen und fliegen, wie kommt Folgendes unterirdisch an:

Der Maulwurf hört in seinem Loch
Ein Lerchenlied erklingen
Und spricht: "Wie sinnlos ist es doch,
Zu fliegen und zu singen!"

(Emanuel Geibel, 1815-1884)

Wenn der Dichter nun aber ein Maulwurf wäre, der mit samtigen Pfoten durch unzugängliche Tiefen gräbt und Verborgenheiten ans Licht bringt - was wird ein Vogel davon halten?

Hofmannsthal kehrt das Verfahren überhaupt um: Das Gedicht ist die Welt, und interpretiert kriegt man die ohnehin im Leben nicht.

Was ist die Welt?

Was ist die Welt? Ein ewiges Gedicht,
Daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht,
Daraus der Wein der Weisheit schäumt und sprüht,
Daraus der Laut der Liebe zu uns spricht

Und jedes Menschen wechselndes Gemüt,
Ein Strahl ists, der aus dieser Sonne bricht,
Ein Vers, der sich an tausend andre flicht,
Der unbemerkt verhallt, verlischt, verblüht.

Und doch auch eine Welt für sich allein,
Voll süß-geheimer, nievernommner Töne,
Begabt mit eigner, unentweihter Schöne,

Und keines andern Nachhall, Widerschein.
Und wenn du gar zu lesen drin verstündest,
Ein Buch, das du im Leben nicht ergründest.

(Hugo von Hofmannsthal, 1874-1929)

 

Webtipps Gedichtinterpretation Gedichtinterpretation im Internet

Ganz konkrete Hilfestellungen und Interpretationsbeispiele finden sich auf diesen Seiten:

Fachmethoden Deutsch: Aus Fachbüchern werden hier mit "Lyrische Texte analysieren" eine Methodik sowie die Anleitung "Lyrische Texte schriftlich interpretieren" im Netz zugänglich gemacht.

Interpretation von Gedichten: Einen Plan, der besonders Schüler auf die rechten Verständniswege bringen soll, hat der Studienrat Wolfgang Pohl erstellt, der oben schon wegen seines Grundrisses der literarischen Epochen erwähnt wurde.

Gedichtinterpretation: Michael Katz stellt hier Muster und Arbeitsverfahren für das Interpretieren von Gedichten vor. Außerdem erläutert er Fachbegriffe und gibt Beispiele.

Einführung in die Textanalyse: Diese umfangreichen, doch übersichtlich geordneten Erklärungen zu allem Wichtigen rund um die Lyrik stammen von Michael Breddin. Er liefert weiterhin Interpretationsansätze zu etlichen berühmten Gedichten.

Gedichtinterpretation - ein Fahrplan: Den hat Professor Hans-Dieter Gelfert erarbeitet, seine Stationen sind hauptsächlich Fragen, die man an das Gedicht und sich selbst richten sollte.

Antikörperchen: Diese Lyrik-Datenbank lebt von den Interpretationen einzelner Gedichte, die ihre Besucher, meist Schüler, für einen Obolus zur Verfügung stellen. Dazu gibt es Hintergrundinformationen zu Epochen und Dichtern.

Rhetoriksturm - Lyrik: Kompakte, schülergerechte Anleitungen zur Gedichtanalyse sind die Basis für mehr als 20 Interpretationen von Gedichten, deren Autoren wie Heym, Trakl, Lichtenstein und Hoddis besonders dem Expressionismus angehören.

Zu guter Letzt kann man sich im Lyrik-Lesezeichen ein Eselsohr falzen, wenn es um das kleine Lyrik-Lexikon und einzelne Dichter geht. Außerdem gibt es:

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