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KindergedichteKindergedichte

Gedichte, die sich vorzugsweise mit Kindern beschäftigen oder gar speziell an Kinder richten, sind seit jeher mehr im Volksgut zu finden als in der hohen Literatur. Kostproben von lyrischen Kindereien der Klassiker sollen überwiegend hier vorgestellt sein; um eher Volkstümliches zu finden klicke man die Seite KinderliederKinderlieder an.
Die Gefühle und Projektionen, die an einen neuen Menschen geknüpft werden, bringen zunächst Peter Hille und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben ebenso knapp wie anrührend auf den Punkt. Theodor StormTheodor Storm erinnert anlässlich der Taufe an die Bedeutsamkeit von Namen :

Kind

Süßer Schwindel schlägt hinüber,
Heiße Blicke gehen über,
Und ein neues Leben rinnt.
Unserer Liebe starke Wonnen
Sammelt ein als starke Sonnen
In die Himmel seiner Augen
Unser Kind.

(Peter Hille, 1854-1904)

Kinderseele

Was eine Kinderseele
aus jedem Blick verspricht!
So reich ist doch an Hoffnung
ein ganzer Frühling nicht.

(August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, 1798-1874)

Zur Taufe

Bedenk es wohl, eh du sie taufst!
Bedeutsam sind die Namen;
Und fasse mir dein liebes Bild
Nun in den rechten Rahmen.
Denn ob der Nam' den Menschen macht,
Ob sich der Mensch den Namen,
Das ist, weshalb mir oft, mein Freund,
Bescheidne Zweifel kamen;
Eins aber weiß ich ganz gewiß:
Bedeutsam sind die Namen!
So schickt für Mädchen Lisbeth sich,
Elisabeth für Damen;
Auch fing sich oft ein Freier schon,
Dem Fischlein gleich am Hamen,
An einem ambraduftigen,
Klanghaften Mädchennamen.

(Theodor Storm, 1817-1888)

Richard und Paula Dehmel sowie Matthias ClaudiusMatthias Claudius beweisen ein lyrisches Herz für Kleinkinder, wenn sie sich den Großereignissen in deren Dasein widmen:

Staatsereignis

Hurrra, zum ersten Mal:
Mutter, der Peter,
hurra, jetzt geht er!
Kuck, ganz alleinechen
setzt er die Beinechen,
ganz wie zur Reichstagswahl,
wie Onkel Wackelpfahl!
Aua, Geschrei:
bautz, vorbei!

(Richard Dehmel, 1863-1920)

Rumpumpels Geburtstag

Kräht der Hahn früh am Morgen,
krähet laut, krähet weit:
Guten Morgen, Rumpumpel,
dein Geburtstag ist heut!

Guckt das Eichhörnchen runter:
Wenig Zeit, wenig Zeit!
Guten Morgen, Rumpumpel,
dein Geburtstag ist heut!

Kommt das Häschen gesprungen,
macht Männchen vor Freud:
Guten Morgen, Rumpumpel,
dein Geburtstag ist heut!

Steht der Kuchen auf dem Tische,
macht sich dick, macht sich breit:
Guten Morgen, Rumpumpel,
dein Geburtstag ist heut!

Und Vater und Mutter,
alle Kinder, alle Leut'
schreien: Hoch der Rumpumpel,
sein Geburtstag ist heut!

(Paula Dehmel, 1862-1918)

Motetto, als der erste Zahn durch war

Victoria! Victoria!
Der kleine weiße Zahn ist da.
Du Mutter! komm, und groß und klein
Im Hause! kommt, und kuckt hinein,
Und seht den hellen weißen Schein.

Der Zahn soll Alexander heißen.
Du liebes Kind! Gott halt ihn Dir gesund,
Und geb Dir Zähne mehr in Deinen kleinen Mund,
Und immer was dafür zu beißen!

(Matthias Claudius, 1740-1815)

Wenn das Kindlein erst beißen kann, wird es bald auch zu sprechen beginnen. Dies ist ebenso nahe liegend wie nun zwei lautspielerische Gedichte von Joachim RingelnatzJoachim Ringelnatz und Christian MorgensternChristian Morgenstern folgen zu lassen, die quasi den Schnuller zu ersetzen vermögen .

Pinguine

Auch die Pinguine ratschen, tratschen,
Klatschen, patschen, watscheln, latschen,
Tuscheln, kuscheln, tauchen, fauchen
Herdenweise, grüppchenweise
Mit Gevattern,
Pladdern, schnattern
Laut und leise.
Schnabel-Babelbabel-Schnack,
Seriöses, Skandalöses, Hiebe, Stiche.

(gekürzt; Joachim Ringelnatz, 1883-1934)

Das ästhetische Wiesel

Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.
Wisst ihr
weshalb?
Das Mondkalb
verriet es mir
im stillen:
Das raffinier-
te Tier
tat's um des Reimes willen.

(Christian Morgenstern, 1871-1814)

Wer indes Hugo Balls "Karawane" per Vortrag vorbeiziehen zu lassen versteht, erntet sicherlich fröhliches Staunen beim Nachwuchs, sollte sich mit diesem gemeinsam jedoch vielleicht erst an der anschließenden Auswahl von Zungenbrechern üben .

Karawane

jolifanto bambia o falli bambla
großgiga m'pfa habla horem
egiga goramen
higo bloiko russula huju
hollaka hollala
anlogo bung
blago bung blago bung
bosso fataka
ü üü ü
schampa wulla wussa olobo
hej tatta gorem
eschige zunbada
wulubu ssubudu uluwu ssubudu
tumba ba-umf
kusa gauma
ba - umf

(Hugo Ball, 1886-1927)

Nun also die Mäulchen geölt und aufgesperrt für die Zungenbrecher :

Fischers Fritz fischt frische Fische,
frische Fische fischt Fischers Fritz.

In Ulm, um Ulm
und um Ulm herum.

Klitzekleine Kinder können keinen Kirschkern knacken.

Esel essen Nesseln nicht,
Nesseln essen Esel nicht.

Welcher Metzger wetzt sein bestes Metzgermesser?

Unser alter Ofentopfdeckel tröpfelt.

Die Bürsten mit schwarzen Borsten bürsten besser
als die Bürsten mit weißen Borsten.

Violett steht recht nett,
recht nett steht violett.

Schneiderschere schneidet scharf,
scharf schneidet Schneiderschere.

Hinter dichtem Fichtendickicht picken dicke Finken tüchtig.

Ich steck meinen Kopf in ´nen kupfernen Topf,
in ´nen kupfernen Topf steck ich meinen Kopf.

Sechsundsechzig Stück sächsische Schuhzwecken.

Bierbrauer Brauer braut braun Bier.

Der Leutnant von Läuten befahl seinen Leuten
nicht eher zu läuten bis der Leutnant von Läuten
seinen Leuten das Leuten befahl.

Blaukraut bleibt Blaukraut,
und Brautkleid bleibt Brautkleid.

Der Kaplan klebt Papp-Plakate.

Nicht nur Lautknoten und Lachstolperer, auch einiges an Wahrheit bringen Gedichte spielerisch über die Zunge. Sogar wenn das Inventar gelegentlich etwas verstaubt wirkt, so sind die Klassiker nicht selten aktueller denn je:

Der kleine Nimmersatt

Ich wünsche mir ein Schaukelpferd,
´ne Festung und Soldaten
und eine Rüstung und ein Schwert,
Wie sie die Ritter hatten.

Drei Märchenbücher wünsch' ich mir
Und Farbe auch zum Malen
und Bilderbogen und Papier
Und Gold- und Silberschalen.

Ein Domino, ein Lottospiel,
Ein Kasperletheater,
Auch einen neuen Pinselstiel
Vergiss nicht, lieber Vater!

Ein Zelt und sechs Kanonen dann
Und einen neuen Wagen
Und ein Geschirr mit Schellen dran,
Beim Pferdespiel zu tragen.

Ein Perspektiv, ein Zootrop,
´ne magische Laterne,
Ein Brennglas, ein Kaleidoskop -
Dies alles hätt' ich gerne.

Mir fehlt - ihr wisst es sicherlich -
Gar sehr ein neuer Schlitten,
Und auch um Schlittschuh' möchte ich
Noch ganz besonders bitten.

Um weiße Tiere auch von Holz
Und farbige von Pappe,
Um einen Helm mit Federn stolz
Und eine Flechtemappe.

Auch einen großen Tannenbaum,
Dran hundert Lichter glänzen,
Mit Marzipan und Zuckerschaum
Und Schokoladenkränzen.

Doch dünkt dies alles euch zu viel,
Und wollt ihr daraus wählen,
So könnte wohl der Pinselstiel
Und auch die Mappe fehlen.

Als Hänschen so gesprochen hat,
Sieht man die Eltern lachen:
"Was willst du, kleiner Nimmersatt,
Mit all den vielen Sachen?

Wer so viel wünscht" - der Vater spricht's -
"Bekommt auch nicht ein Achtel -
Der kriegt ein ganz klein wenig Nichts
In einer Dreierschachtel."

(Heinrich Seidel, 1842-1906)

Kind und Buch

Komm her einmal, du liebes Buch;
Sie sagen immer, du bist so klug.
Mein Vater und Mutter, die wollen gerne,
Daß ich was Gutes von dir lerne;
Drum will ich dich halten an mein Ohr;
Nun sag mir all' deine Sachen vor.

Was ist denn das für ein Eigensinn,
Und siehst du nicht, daß ich eilig bin?
Möchte gern spielen und springen herum,
Und bleibst du immer so stumm und dumm?
Geh, garstiges Buch, du ärgerst mich,
Dort in die Ecke werf' ich dich.

(Wilhelm Hey, 1789-1854)

Doch wenn schon das Buch in der Ecke landet, dann zumindest, um uns alle, ob klein ob groß, in Detlev von Liliencrons versteckte schöne Anderswelt spazieren zu lassen:

Kinderland, du Zauberland,
Haus und Hof und Hecken.
Hinter blauer Wälderwand
spielt die Welt Verstecken.

(Detlev von Liliencron, 1844-1909)

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