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Gotthold Ephraim Lessing

Vater der deutschen Klassik, wichtigster Vertreter der Aufklärung und ihr Überwinder, Maßgeber für das Theater: Was werdem diesem Mann nicht für Titulierungen und Leistungen zugesprochen, wie gewichtig sind seine Werke an Sprache, Wirkung und Idealen. Um ihn davon zu entrümpeln, ihm all das vergessen und verzeihen zu können, braucht es nur die beiden folgenden, nicht oft genug zitierbaren Strophen (wie hier auch schon in Lustige GedichteLustige Gedichte).

Lob der Faulheit

Faulheit jetzo will ich dir
Auch ein kleines Loblied bringen.-
O -- wie -- sau -- er -- wird es mir, --
Dich -- nach Würden -- zu besingen!
Doch, ich will mein Bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.

Höchstes Gut, wer Dich nur hat,
Dessen ungestörtes Leben --
Ach! -- ich -- gähn -- ich -- werde matt --
Nun -- so -- magst du -- mir`s vergeben,
Dass ich Dich nicht singen kann;
Du verhinderst mich ja dran.

 

Dieses Gedichtchen genügt einem hehren Dichtungsideal in selten erreichtem Maß, nämlich der Einheit von Inhalt und Form. Aber Lessing lobt sich für die in seinem schmalen lyrischen Werk dominierende Gattung des Epigramms das feinsinnig Leichte. In der Einleitung seiner Sammlung "Sinngedichte" setzt er sich von seinerzeit zwar anerkannten, aber schwer lesbaren Dichtern wie Klopstock ab. Und was seine "Lieder" betrifft, will er gemäß deren Motto-Gedicht seine Leier statt zu gewichtigem Ernst auf Fröhlichkeit einstimmen.

An den Leser

Du dem kein Epigramm gefällt,
Es sei denn lang und reich und schwer:
Wo sahst du, dass man einen Speer,
Statt eines Pfeils, vom Bogen schnellt?

 

Die Sinngedichte an den Leser

Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? - Nein.
Wir wollen weniger erhoben,
Und fleißiger gelesen sein.

 

An die Leier

Töne, frohe Leier,
Töne Lust und Wein!
Töne, sanfte Leier,
Töne Liebe drein!

Wilde Krieger singen,
Haß und Rach' und Blut
In die Laute singen,
Ist nicht Lust, ist Wut.

Zwar der Heldensänger
Sammelt Lorbeern ein;
Ihn verehrt man länger.
Lebt er länger? Nein.

Er vergräbt im Leben
Sich in Tiefsinn ein:
Um erst dann zu leben,
Wann er Staub wird sein.

Lobt sein göttlich Feuer,
Zeit und Afterzeit!
Und an meiner Leier
Lobt die Fröhlichkeit.

 

Den Aufklärer Lessing gewahrt man also in anderer Bedeutung, als Erheller trüber Stimmungen.

Merkwürdig ist es, dass jener witzigste Mensch in Deutschland auch zugleich der ehrlichste war.

schreibt Heinrich HeineHeinrich Heine über ihn, meint mit "witzig" jedoch auch klug. Und wo treibt sich solch ein Aufklärer in seinen lyrischen Episoden herum? Begleiten wir in ins Hurenhaus und die antik-europäische Mythologie, zu einem toten Affen (dessen erstes Stück hier durchaus auch dem Schwarzer HumorSchwarzen Humor taugt) und den schlimmsten Tieren überhaupt.

Auf einen Brand zu **

Ein Hurenhaus geriet um Mitternacht in Brand.
Schnell sprang, zum Löschen oder Retten,
Ein Dutzend Mönche von den Betten.
Wo waren die? Sie waren - - bei der Hand.
Ein Hurenhaus geriet in Brand.

 

Auf die Europa

Als Zeus Europen lieb gewann,
Nahm er, die Schöne zu besiegen,
Verschiedene Gestalten an,
Verschieden ihr verschiedlich anzuliegen.
Als Gott zuerst erschien er ihr;
Dann als ein Mann, und endlich als ein Tier.
Umsonst legt er, als Gott, den Himmel ihr zu Füßen:
Stolz fliehet sie vor seinen Küssen.
Umsonst fleht er, als Mann, in schmeichelhaftem Ton:
Verachtung war der Liebe Lohn.
Zuletzt - mein schön Geschlecht, gesagt zu deinen Ehren! -
Ließ sie - von wem? - vom Bullen sich betören.

 

Auf den Tod eines Affen

Hier liegt er nun, der kleine, liebe Pavian,
Der uns so manches nachgetan!
Ich wette, was er itzt getan,
Tun wir ihm alle nach, dem lieben Pavian.

Grabschrift auf ebendenselben

Hier faulet Mimulus, ein Affe.
Und leider! leider! welch ein Affe!
So zahm, als in der Welt kein Affe;
So rein, als in der Welt kein Affe;
So keusch, als in der Welt kein Affe;
So ernst, als in der Welt kein Affe;
So ohne Falsch. O welch ein Affe!
Damit ichs kurz zusammen raffe:
Ein ganz originaler Affe.

 

Das schlimmste Tier

Wie heißt das schlimmste Tier mit Namen?
So fragt' ein König einen weisen Mann.
Der Weise sprach: von wilden heißts Tyrann,
Und Schmeichler von den zahmen.

 

Der lyrische Hauptumgang Lessings ist allerdings eindeutig der Wein, welchem er auf diesen Seiten schon in Faschingsgedichte und FastnachtssprücheFaschingsgedichte und Fastnachtssprüche (Die Stärke des Weins) und GeburtstagsgedichteGeburtstagsgedichte (Eine Gesundheit auf die Gesundheiten) zusprechen durfte. Des trunkenen Dichters Antworten bezeugen indes nicht nur Weines- sondern auch Lebensdurst, sogar den Tod kann er damit bannen, doch letztlich ergeht es ihm mit dem Wein poetisch wie eingangs mit der Faulheit.

Antwort eines trunknen Dichters

Ein trunkner Dichter leerte
Sein Glas auf jeden Zug;
Ihn Warnte sein Gefährte:
Hör' auf! du hast genug.

Bereit vom Stuhl zu sinken,
Sprach der: Du bist nicht klug;
Zu viel kann man wohl trinken,
Doch nie trinkt man genug.

 

Der Tod

Gestern, Brüder, könnt ihrs glauben?
Gestern bei dem Saft der Trauben,
(Bildet euch mein Schrecken ein!)
Kam der Tod zu mir herein.

Drohend schwang er seine Hippe,
Drohend sprach das Furchtgerippe:
Fort, du teurer Bacchusknecht!
Fort, du hast genug gezecht!

Lieber Tod, sprach ich mit Tränen,
Solltest du nach mir dich sehnen?
Sieh, da stehet Wein für dich!
Lieber Tod verschone mich!

Lächelnd greift er nach dem Glase;
Lächelnd macht ers auf der Base,
Auf der Pest, Gesundheit leer;
Lächelnd setzt ers wieder her.

Fröhlich glaub' ich mich befreiet,
Als er schnell sein Drohn erneuet.
Narre, für dein Gläschen Wein
Denkst du, spricht er, los zu sein?

Tod, bat ich, ich möcht' auf Erden
Gern ein Mediziner werden.
Lass mich: ich verspreche dir
Meine Kranken halb dafür.

Gut, wenn das ist, magst du leben:
Ruft er. Nur sei mir ergeben.
Lebe, bis du satt geküsst,
Und des Trinkens müde bist.

O! wie schön klingt dies den Ohren!
Tod, du hast mich neu geboren.
Dieses Glas voll Rebensaft,
Tod, auf gute Brüderschaft!

Ewig muss ich also leben,
Ewig! denn, beim Gott der Reben!
Ewig soll mich Lieb' und Wein,
Ewig Wein und Lieb' erfreun!

 

Der trunkne Dichter lobt den Wein

Mit Ehren, Wein, von dir bemeistert,
Und deinem flüß'gen Feu'r begeistert,
Stimm ich zum Danke, wenn ich kann,
Ein dir geheiligt Loblied an.

Doch wie? in was für kühnen Weisen
Werd' ich, o Göttertrank, dich preisen?
Dein Ruhm, hör' ihn summarisch an,
Ist, dass ich ihn nicht singen kann.

 

Dass der wackere Lessing in Weineslaune häufig Lästereien über Frauen zusammenreimte, sei hier über- und ihm darum einstweilen nachgesehen. Denn bei aller aufgeklärten Vernunft ist ihm in "Die Liebe" noch einiges an barocker Galanterie erhalten geblieben. Danach verabschiedet er sich, wieder in trefflicher Kürze, von den Lesern und dreht sich ob eines Leichenredners vorsorglich im Grab um.

Die Liebe

Ohne Liebe
Lebe, wer da kann.
Wenn er auch ein Mensch schon bliebe,
Bleibt er doch kein Mann.

Süße Liebe,
Mach' mein Leben süß!
Stille nie die regen Triebe
Sonder Hindernis.

Schmachten lassen
Sei der Schönen Pflicht!
Nur uns ewig schmachten lassen,
Dieses sei sie nicht.

 

Abschied an den Leser

Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
So sei mir wenigstens für das verbunden,
Was ich zurück behielt.

 

Auf einen gewissen Leichenredner

O Redner! dein Gesicht zieht jämmerliche Falten,
Indem dein Maul erbärmlich spricht.
Eh du mir sollst die Leichenrede halten,
Wahrhaftig, lieber sterb' ich nicht!

 

Webtipps Lessing Lessing im Internet

Da eine umfassende Webseite zu Lessing fehlt, kann man sich bei Xlibris mit einer Biographie, Bibliographie und knappen Einführungen zu seinen Theaterstücken "Nathan der Weise" und "Minna von Barnhelm" versorgen. - Kurz und tabellarisch stellt "Daten deutscher Dichtung" Lessing vor.
Alle seine wichtigen Werke sind beim Projekt Gutenberg online nachlesbar.
Was sich aktuell und überhaupt im Lessing Museum seiner Geburtsstadt Kamenz verbirgt, wird auf seiner Seite sogar in bewegten Bildern offenbar.

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