Das SchwalbenbuchKommt zu mir dem zwiefach Gefangenen |
O Europa, wie arm Du bist!
Die Tiere Deiner Häuser sind wie Deine Menschen,
Geduckt und hässlich, verkrüppelt und verschnitten.
O ihre traurigen Augen!
Wo Du sie krönst, krönst Du Rekorde.
Wie Du Deiner Menschen Rekorde krönst -
Und nicht ihr Leben! Und nicht ihr Leben!
Wann wachsen sie ihr Leben?
Wann?
Sie übergeben es einem Götzen, der eine Uniformmütze trägt, der ordnet es, katalogisiert es, befiehlt Pflichten, schreibt Geburtsscheine, Militärscheine, Trauscheine, Sterbescheine, setzt ein Kreuz hinter ihre abgespulten Namen, trägt den vollgeschriebenen Registerband in die Registratur, So muss es sein, So dienst Du Gott, In Ewigkeit, Amen.
Brecht auf Ihr Völker des Orients und verkündet die
seligen Hymnen Eurer Gebenedeiten Muße!!!
Ein Tier aber lebt in Euren Häusern, Ihr Menschen Europas,
das ließ sich nicht zähmen und züchten,
Das ließ sich nicht fangen von Eurer süßlichen Lockung und
Eurer herrischen Drohung,
Das blieb
Frei!
Frei!
Frei!
Kommt zu mir dem zwiefach Gefangenen:
Gefangener eingekerkert von Gefangenen ...
In dieser Nacht
Schlief das Schwalbenpärchen in meiner Zelle.
Baumeister gotischer Kathedrale,
Zügle den Stolz!
Quadern brauchtest Du und kunstvoll gemeißelte Steine,
Pfeiler, Pilaster, Rosetten und farbige Scheiben,
Mörtel war Dir
Das Elend der Menge, das billig sich feilbot,
Weihtest Dein Werk
Dem Jenseits,
Dem Tode.
Siehe die Schwalben:
Aus Schmutz, aus Schlamm, aus Halmen, aus Haaren der
Pferde
Bauen sie fromm ihr edel gewölbtes Nest,
Weihens
Der Erde,
Dem Leben.
Am Morgen, wenn der Wächter kommt,
Schreck ich zusammen.
Entdeckt er das Nest,
Reißt ers mit harter Gebärde zu Boden.
O im vorigen Sommer der Kriegszug auf junges Getier!
Gegen Dachrinnen, Firste marschierte man im Sturm.
Als ich zum Hof ging,
Ging ich über ein Schlachtfeld.
Hilflos kreisend die klagenden Mütter.
Paragraph X: Es widerspricht dem Strafvollzug, Vögel zu
dulden im Hause der Buße.
Menschen Menschen
Ich sah Schmetterlinge spielen
Im sonnenflirrenden Mittag.
Wo aber,
Wenn die Sonne sinkt,
Wenn Nachtstürme
Über die Erde rauschen
Mit schwarzem Gefieder,
Wo, lieblichste Kinder der göttlichen Mutter,
Schlafet Ihr dann?
Ich glaube,
Es öffnen sich Euch
Die Kelche der Blumen,
Ich glaube,
Es wiegt Euch zur Ruhe
Der Blütenklang im Dom der Kastanien.